Vilsbiburg und seine über 1000-jährige Geschichte von Peter Käser

Die derzeit früheste Nennung von "pipurch" (= Vilsbiburg)

Eine Urkunde vom Jahre 884 führte auf eine falsche Fährte. Die Nennung von „pipurch“ im Jahre 990/1000 in einer Beschreibung des Bistums Freising und Aribo von Biburg machte sich an der Vils sesshaft.

Noch bevor durch den deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa (1152-1190) im Jahre 1180 das Geschlecht der Wittelsbacher für treue Dienste um Kaiser und Reich mit dem Herzogtum Bayern belehnt wurde, waren die Herren von Haarbach, Seyboldsdorf aber auch der edle Herr, Aribo von Tattendorf und Biburg an der Vils schon sesshaft.

Verdiente Mitstreiter des Kaisers waren sie und wurden deshalb auch mit einem von ihm verliehenen Besitz, einem so genannten Lehen, für diese Verdienste entlohnt. Sie verwalteten und bewirtschafteten diesen Besitz, konnten ihn aber auch wieder weiter verleihen. Sie wurden sesshaft und waren in der Regel hochadelige Standesfreie „liber“.

 

Schon im Jahre 1925 setzte sich der Pfarrer und Heimatforscher Bartholomäus Spirkner aus Gaindorf mit den „Edlen und Freien Herren von Biburg“ an der Vils auseinander. In bekannten geographisch-statistischen Werken kam es aber auch vor, dass dieses Biburg bei Abensberg mit dem Biburg an der Vils (Vilsbiburg) verwechselt wurde. Spirkner war darüber erbost und schrieb „…da mag es nicht wundernehmen, wenn in den alten Geschichtswerken der gleiche Irrtum sich immer wieder von Geschlecht zu Geschlecht überliefert“. Dass dieser Aribo von Biburg seinen Ortsnamen von Biburg bei Abendsberg mit an die Vils, (nach Tattendorf und Vilsbiburg) mitgenommen hatte, darin waren sich Spirkner und auch der Passauer Studienprofessor Dr. Franz Tyroller einig, der durch viele scharfsinnige Untersuchungen zu den altbayerischen Adelsgeschlechtern sich einen Namen gemacht hatte[i].

Es waren sich beide einig, dass der in Biburg an der Vils (Vilsbiburg) schon um 1123 genannte Aribo, seinen Namen von dem Geschlecht der Biburger bei Abensberg, an die Vils mitbrachte und zuerst als Aribo von Tattendorf und dann als Aribo von Biburg hier sesshaft wurde.

Nun wussten Spirkner und auch Dr. Tyroller noch nichts von einer Beschreibung der Grenze des Bistums Freising und zwar ganz speziell die östliche Grenze, die schon um das Jahr 990/1000 aufgenommen und in den Traditionen des Hochstiftes Freising niedergeschrieben wurde. Darin erscheinen der Rettenbach, der Haarbach, die große und kleine Vils und auch schon der Name „Pipurch“. So kann in dieser Beschreibung der Freisinger Bistumsgrenze, unser „Pipurch“ (Vilsbiburg) genau und hundertprozentig zugeordnet werden. Da kann der Edle Aribo von Biburg den Namen „Biburg“, doch nicht von Biburg bei Abendsberg mit an die Vils gebracht haben, denn unser Biburg an der Vils, ist durch diese frühe Nennung in der Freisinger Bistumsaufschreibung, schon etwa 150 Jahre älter als dieser Aribo. Übrigens, hat dieser Aribo „von Biburg“ an der Vils, schon seine Berechtigung und er kann auch in die Jahre 1123-1162 eingeordnet werden. Auch sein Nachkomme der „liber“ also der „Freie“ Heinrich von Biburg, dessen Besitz nach seinem Tode an den bayerischen Herzog ging und dieser dann die planmäßige wittelsbacher Stadt Vilsbiburg an der Vils errichtete, ist in den Archivalien gut zu finden.

Aber der Name Biburg an der Vils, war schon vor diesen edlen Herren Aribo und Heinrich da. Sie machten sich an der Vils sesshaft und haben den schon vorhandenen Ortsnamen „Biburg“ oder „Piburg“ als ihren Erkenn- und Beinamen hinzugenommen. Um die gleiche Zeit geschieht dies nicht nur mit dem Berchtesgadener Dienstmann Aribo von Biburg sondern auch mit Wolfram von Bodenkirchen, Adalbert von Leberskirchen, Odelric von Pauluszell, Pabo von Aich oder Wolfhart von Punnah (Binabiburg), alles Dienstmänner der Propstei Berchtesgaden um das Jahre 1150[ii].

 

Eine Urkunde vom Jahre 884?

Sensationelles und vollkommen Neues wird in einem Bericht des Vilsbiburger Anzeiger vom 5. Dezember 1949 über die Geschichte von Vilsbiburg berichtet: „Die älteste Urkunde von Vilsbiburg“. Der Schreiber berichtet, dass die Urkunde im bischöflichen Archiv in Regensburg liegt und aus dem 9. Jahrhundert stammt. Dann folgt eine Beschreibung über die Verwaltungseinteilung unter Karl dem Großen. Aus der oben erwähnten Urkunde vom Jahre 884 soll hervorgehen, dass Vilsbiburg der Sitz eines „Präfekten“ war und dieses Wort „Präfektur“ so viel wie ein „Bezirksvorsteheramt“ bedeutet. Die in Latein verfasste Urkunde wird auch genannt und vom „hiesigen“ Kapuzinerpater Xistus übersetzt: „884 schenkt Kaiser Karl zu seiner Kapelle in der Stadt Regensburg eine Kirche mit einem Landgut und einem Hof bei Marlingon und in der Grafschaft Engildens…“. Gegeben am 9. September 884. Die Erklärung des „Hofes bei Marlingon“ wird auch gleich dazugegeben. Marlingon ist gleichzusetzen mit „Marolding, Präfektur Vilsbiburg“. Vom Schreiber wird noch bekannt gegeben, dass sich dieses Marlingon oder Marolding, nicht im Verzeichnis aller Ortschaften Bayerns befindet. „Ob nicht Wolferding daraus geworden ist“, so wird gemutmaßt. Und das war es dann auch schon mit der frühesten Nennung einer Verwaltungspräfektur in Vilsbiburg und das im Jahre 884.

Wie Geschichtsforschung ohne Nachprüfung und im guten Glauben seine Fortsetzung findet, geht aus einem Bericht im April 1954 in den „Niederbayerischen Heimatblätter“, (eine Beilage zum Vilsbiburger Anzeiger) 15. Jahrgang, Nr. 3, hervor. Rektor Karl Böhm schreibt über die Entstehung Vilsbiburgs: „Ein Blick hinter den Schleier der Vergangenheit Vilsbiburgs“. Böhm nennt nun schon die Beschreibung der Freisinger Bistumsgrenze um das Jahr 1000, stellt Vermutungen auf wo die Burg von Vilsbiburg gestanden hat und wo die Römerstraße durch das Vilstal führte. Nun berichtet er in den nächsten Zeilen, von der „nicht unbedeutenden Niederlassung“ in Vilsbiburg im 9. Jahrhundert und erwähnt die Urkunde vom Jahre 884, in welcher von einer Präfektur in Vilsbiburg die Rede ist. Dann schreibt er: „Im 9. Jahrhundert war Vilsbiburg ein Sitz der Gaugrafen des Vilstales."

 

Für die Geschichtsforschung von Vilsbiburg war es nun höchste Zeit, Klarheit über diese sensationellen, historischen Nennungen des Jahres 884 zu erbringen. Ein Schreiben meinerseits an das Bischöfliche Archiv in Regensburg, mit der Nennung und der Quellenlage brachte doch einiges zu Tage. Die genannte Urkunde vom Jahre 884 gibt es tatsächlich. Bei Thomas Ried, Codex chronologico diplomaticus, 2. Band, Nr. 64 ist die Urkunde angeführt, jedoch mit Datum 19. September 884, - der Text sagt das Gleiche aus. Dr. Paul Mai, Direktor des Bistumsarchiv Regensburg kennt die Urkunde und schreibt dazu: „…jedenfalls ist in der betreffenden Urkunde von einer Präfektur in Vilsbiburg keine Rede“. Dr. Mai nennt auch die bis heute modernste und zuverlässigste Edition des Diploms, in der Monumenta Germaniae Historica (Diplome Karls III, Nr. 107) und glaubt, dass der Verfasser des Berichtes im Vilsbiburger Anzeiger vom Jahre 1949, deswegen auf die Präfektur in Vilsbiburg gekommen ist, da er den Ortsnamen Marlingon, mit Morolding bei Gangkofen oder Meiling bei Hölsbrunn identifizierte. In Wirklichkeit spricht einiges dafür, so schreibt Dr. Mai, dass dieses Marlingon mit Langenerling (Gemeinde Hagelstadt, LK Regensburg) gleich zu setzen ist.

Für die Geschichte von Vilsbiburg war es unbedingt erforderlich, hier Nachforschungen anzustellen und sich Klarheit zu verschaffen, dass diese Urkunde aus dem Jahre 884 für Vilsbiburg keine Bedeutung hat, ansonsten könnte diese frühe Nennung, ohne überprüft zu werden, über Generationen hinweg einen weiteren Niederschlag in der Vilsbiburger Geschichtsschreibung finden.

 

Früheste Nennungen

Ganz anders verhält sich die Sachlage bei den Aufschreibungen des Bistums Freising vor dem Jahre 1000, die wirklich unser Vilsbiburg an der Vils nennen. In den „Traditionen des Hochstiftes Freising“[iii], werden einige, für Vilsbiburg interessante Traditionen genannt. Traditionen sind keine Urkunden im üblichen Sinn, sie sind Aufschreibungen in Büchern, den so genannten Traditionsbüchern, aber auch einfache Zettel, auf denen der Verhandlungstext geschrieben steht.

Eine Nennung im Band 2 (Nr. 1083), die in die Jahre 926/937 zu setzten ist, beschreibt den Tausch des Freisinger Bischofs Wolfram mit dem Edelmann Uuolfolt und dessen Besitz in „Pipurc“. So soll der Edelmann sein Eigentum das er in „Pipurc“ hat, auf den Altar der hl. Maria der Kirche Freising, in die Hand des Bischofs Wolfram geben. Im Gegenzug soll der Bischof alles was der Dienstmann der Freisinger Kirche, mit Namen Engilhart, in dem oben genannten Ort „Pipurc“ als Pfründe hatte, dem Edelmann Uuolfolt auf Lebzeit übergeben. Wohlgemerkt, unter den Zeugen dieser Verbriefung erscheint ein „Aripo“. Würde dieses „Pipurc“ auf Vilsbiburg zutreffen, könnte es sich hier um die derzeit früheste Nennung von Vilsbiburg handeln.

 

Klarheit über die topografische Zuordnung, dass wir uns an der Vils und im Altlandkreis Landshut befinden, bringt die Nennung der Vils und des Haarbaches um das Jahr 990. Hier ist die Quellenlage hundertprozentig. Die Traditionen des Hochstiftes Freising nennen in Nr. 1313 (Jahr 990/1000) „Beschreibung der Pfarrei Hohenegglkofen“, den Verlauf der Hohenegglkofener Pfarreigrenze und dabei den Grenzverlauf, oberhalb des Vilsflusses „filisa“ (kleine Vils), bis zur Stelle, wo der „horapach“ (der Haarbach) in die große Vils einmündet (bei Frauenhaarbach).

 

Klare Nennung um 990/1000

Ganz klar wird es bei der nächsten Traditionsaufschreibung (Nr. 1314, Jahr 990/1000) des Hochstiftes Freising, mit der „Grenzbeschreibung des Bistums Freising nach Osten hin“. Sie nennt zuverlässig den Ort „Pipurch“ (Vilsbiburg), die große und kleine Vils und den Haarbach. „Im Südosten der Diözese Freising verläuft die Grenze, von der Mündung des Fimbaches in die kleine Vils (bei Geisenhausen), über die kleine „Filisam“ (= Vils) , nach Rombach, den Asbach abwärts, dann wieder in westlicher Richtung den Rettenbach aufwärts, aber dann wieder abwärts nach „Reina“ (= Reinthal) und nach „Pipuch“ (= Vilsbiburg), genau zwischen den Häusern eines Priesters mit Namen „Werimundi“ und eines Laien mit Namen „Dietmari“ hindurch, in gerader Linie auf die „andere Vils“ (große Vils) zu und so die „Filisam“ (Vils) entlang bis zum bis zum östlichen Haarbach - bei Frauenhaarbach („Horapach orientalem“). Am Haarbach entlang verläuft auch heute noch die Bistumsgrenze Regensburg – München/Freising, genau durch das Dorf Frauenharrbach hindurch, wobei die Kirche von Frauenhaarbach im Bistum München/Freising steht, die Häuser daneben sich aber schon im Bistum Regensburg befinden.

Traditionsbeschreibung der Ostgrenze des Bistums Freising vom Jahre 990/1000Traditionsbeschreibung der Ostgrenze des Bistums Freising vom Jahre 990/1000:

„Iste est terminus episcopii ad orientem: De Widnipach in Chuoprunnum et inde in Roriganouua recte itenere in Sueinpach et per Sueinpach in Isra et super Isaram ad Hohstraza et sic per Hohstraza alio itinere ubi Widinipach influit Filisam sic super Filisam in Rimichinpach et dorsum per Rimichinpach in Rotinpach et deorsum per Rotinpach usque ad Reina et sic per Reina ad pipurch inter domum Werimundi presbiteri et Dietmari laici recte in alteram Filisam et sic sursum per Filisam ad Horapach orientalem.“

 

Ob nun der Hinweis (Jahr 990/1000) auf das Haus des Priesters „Werimundi“, im Zusammenhang mit einer Vilsbiburger Kirche steht, kann vielleicht angenommen werden, muß aber nicht sein. Eher wäre es doch möglich, „Werimundi“ ist Priester der alten Mutterpfarreien Hohenegglkofen (Bistum Freising) oder Gaindorf (Bistum Regensburg). Vilsbiburg war zu dieser Zeit noch keine Pfarrei. Im Jahr 1265 (nach der Stadtgründung) geschieht die derzeitige früheste Nennung einer Kirche in Vilsbiburg. Die Unterscheidung beim Priester „Werimundi“ und dem Laien „Dietmari“ muß im Sinne der Auslegung gesehen werden. Hier der Geistliche - dort der theologische Laie, zwischen deren Häuser die Bistumsgrenze verläuft. Zu dieser Zeit kamen Geistliche nur aus den höchsten Adelsfamilien. Im Zuge dieser beschriebenen Freisinger Bistumsgrenze, kann bei einer Nennung des Hauses, das dem Priester „Werimundi“ gehört, an Pfaffenbach gedacht werden, das genau auf der Diözesangrenze liegt, und Kammerlehen als das Haus des Laien „Dietmari“. Für eine frühe Nennung eines Priesters in Vilsbiburg, kommt dieser „Werimundi“ sicherlich nicht in Frage, was aber auch schon in der Vilsbiburger Geschichtsschreibung angenommen wurde.

 

Der Name „Biburg“

Die Erklärung des Ortsnamens „Biburg“. Von den Geschichtsforschern wird hier das gotische Wort „bibaurgeins“, das soviel wie befestigtes Lager, Beherbergung oder einfach als -Burg- abgeleitet wird, wenn man nicht einfacher die Ableitung von der Burg an der Vils, (Vilsbiburg) annimmt. Auch dürfte die Erklärung aus dem Worte „bi“ als „bei“, als zweite oder Beiburg zu einer schon bestehenden Schanze oder Burg, an der Vils die Erklärung sein.

Orte mit Viereckschanzen aus der Keltenzeit werden mit der Tatsache erhärtet, dass ein mit der Ortsbezeichnung „Biburg“ „Biberg“ „Biberach“ oder ähnlichen Namensnennungen einhergehen. Der Name „Vils“ nennt die „windende, schlängelnde, ungebändigte“.

 

[i] >> Franz Tyroller: Die Schirmvögte des Klosters Biburg aus dem Hause der ältesten Herren von Stein. In: Verhandlungen des Historischen Vereines von Niederbayern Nr. 53, 1917. >> Franz Tyroller: Genealogie des altbayerischen Adels im Hochmittelalter. Göttingen 1962.

 

[ii] >> Geschichte von Berchtesgaden, Stift-Markt-Land, Bd. 1, Zwischen Salzburg und Bayern (bis 1594). >> Quellen und Erörterungen zur Bayerischen Geschichte; (QE); Alte Folge (AF), Band 1, in diesem Buch sind enthalten: 1. Schenkungsbuch des Klosters St. Emmeram; 2. Schenkungsbuch des Stiftes Obermünster; 3. Schenkungsbuch der Probstei Berchtesgaden; 4. Annales Scheftlarn; Anhang: Acten des Ehrfurter und Dingolfinger Concils vom Jahre 932; Karl August Muffat; München 1856.

 

[iii] Theodor Bitterauf; Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte (QE), Neue Folge (NF), Band 2.

 

Peter Käser, Binabiburg, Zenelliring 43, 84155 Bodenkirchen