Es ist die vornehme Pflicht einer Gesellschaft, Menschen auf der Flucht eine Zuflucht zu gewähren. Übersteigt die Zahl der Flüchtlinge aber ein gewisses Maß, belastet dies die Infrastruktur einer Stadt erheblich. Aktuell sind in Vilsbiburg rund 150 Flüchtlinge dezentral untergebracht. Wenn nun, wie geplant, weitere 200 dazukommen, steigt der Anteil in Bezug zur einheimischen Bevölkerung auf bedenkliche 2,8 Prozent - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kindergartenbetreuung, die Schule, die medizinische Versorgung und andere.
Vor diesem Hintergrund bemüht sich die Stadt, den geplanten Umbau einer Gewerbehalle an der Frontenhausener Straße 106 in eine Flüchtlingsunterkunft zu verhindern. Die Entscheidung dazu wird aber nicht von der Stadt, sondern vom Landratsamt als Baugenehmigungsbehörde getroffen.
Vor dem Antrag, das Objekt in eine Flüchtlingsunterkunft umzubauen, führten Bemühungen des städtischen Regionalmanagements, für das Objekt als Gewerbehalle einen neuen Mieter zu vermitteln, aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen zum Mietpreis zu keinem Erfolg.
2. Februar 2024
Das Immobilienunternehmen aus Moosburg stellt einen Antrag auf Vorbescheid: Die Gewerbehalle soll in eine zweistöckige Flüchtlingsunterkunft für 201 Flüchtlinge umgebaut werden. Die Stadtverwaltung informiert daraufhin am 14. Februar mit einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit.
19. Februar 2024
Sitzung des Bau- und Umweltausschusses: Die Stadträte verweigern das gemeindliche Einvernehmen zu dem Umbau und zu allen beantragten Befreiungen. Sie weisen auf die Nähe zu Gymnasium und Realschule hin und plädieren, die bislang nahezu konfliktfrei funktionierende dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen fortzusetzen. In Telefonaten mit dem Landratsamt, der Baugenehmigungsbehörde, heißt es, eine Entscheidung zu dem Beschluss könnte frühestens im April 2024 fallen.
18. März 2024
Sondersitzung des Stadtrates: Die Stadträte beschließen die Aufstellung eines Deckblatt Nr. 1 zum Bebauungsplan Schachtengragen und die Aufstellung einer Veränderungssperre. Mit dem Deckblatt Nr. 1 sollen die Baugrenzen an die bislang genehmigten Gebäude angepasst werden. Zusätzlich erfolgt eine Einarbeitung des Einzelhandelsentwicklungskonzeptes der Stadt. Die Veränderungssperre trat am 20. März in Kraft.
17. April 2024
E-Mail an das Landratsamt: die Bauverwaltung der Stadt listet die Folgen auf, die eine Gemeinschaftsunterkunft mit 201 Betten auf die Infrastruktur der Stadt haben würde. Das Resümee in aller Kürze: Eine Gemeinschaftsunterkunft in dieser Größenordnung mag kurzfristig eine Lösung für die Regierung darstellen, doch schafft sie vor Ort nur politischen Zündstoff. Denn die Versorgung mit Kita-Plätzen oder Schulen, mit medizinischer Versorgung sowie Möglichkeiten zum Spracherwerb liegen am Ende in kommunaler Verantwortung, und Vilsbiburg kann dies für Flüchtlinge in dieser Anzahl nicht leisten.
7. Juni 2024
E-Mail des Landrats an alle Bürgermeister: nachdem im Landkreis Landshut rund 1.000 Flüchtlinge weniger untergebracht sind, als nach dem Königsteiner Verteilungsschlüssel erforderlich wären, weist der Landkreischef noch einmal auf den dringenden Bedarf von Unterkünften hin.
12. Juli 2024
Erste Bürgermeisterin Sibylle Entwistle macht in ihrer Antwort konkrete Vorschläge für dezentrale Unterkünfte auf zwei landkreiseigenen Grundstücken. Das Landratsamt bestätigt einen Tag später, dass es diese Vorschläge prüfen wird.
19. August 2024
Besprechungstermin im Rathaus mit der Regierung von Niederbayern: Die Stadt stellt die Möglichkeit vor, mit Hilfe von Containern kleinere Unterkünfte auf zwei Landkreis-Grundstücken zu errichten. Vertreter der Regierung entgegneten, dass sie Gemeinschaftsunterkünfte bevorzugen, weil diese kostengünstiger betrieben und leichter verwaltet werden können. Auf diese Weise sei eine effiziente Nutzung von Personal und Infrastruktur sowie bei der Versorgung möglich, denn große Einheiten erleichtern die Organisation von Mahlzeiten, medizinischer Versorgung und anderen Dienstleistungen. Außerdem können sie bei Bedarf schneller eingerichtet werden als kleine dezentrale Unterkünfte.
26. November 2024
Anhörungsschreiben des Landratsamtes: Das Landratsamt als Genehmigungsbehörde hat entschieden, den Umbau der Gewerbehalle in eine Gemeinschaftsunterkunft trotz aller Bedenken aus Vilsbiburg zu ermöglichen und will dazu das fehlende Einvernehmen der Stadt ersetzen. Eine rechtliche Voraussetzung zum Abschluss der Bauvoranfrage ist, dass die Argumente der Stadt formell angehört werden. Mit der Anhörung soll sichergestellt werden, dass kein Aspekt zur Entscheidung vergessen wird.
2. Dezember 2024
Ergänzung des Anhörungsschreibens des Landratsamtes: Das Landratsamt hat die Anhörung vom 26.11.2024 um die Befreiungen vom Bebauungsplan ergänzt.
9. Dezember 2024
Behandlung der Anhörungsschreiben im Bau- und Umweltausschuss: Es wurde folgender Beschluss gefasst: „Der Bau- und Umweltausschuss beschließt eine Ausnahme von der Veränderungssperre Nr. 4 für den Bebauungsplan Schachtengraben abzulehnen. Weiterhin werden die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens (auch für die beantragten Befreiungen) und die Veränderungssperre aufrechterhalten.“
13. Dezember 2024
Fristgemäße Abgabe der Stellungnahme beim Landratsamt Landshut: Bestandteil der Stellungnahme ist der Beschlussbuchauszug der Bau- und Umweltausschusssitzung vom 09.12.2024 und der Offene Brief der Stadträte an die Regierung von Niederbayern und das Landratsamt Landshut in dem u.a. die Bedenken hinsichtlich der Dringlichkeit, Notwendigkeit und Probleme hinsichtlich der Infrastruktur geäußert wurden.
16. Dezember 2024
Unterzeichnung des offenen Briefes zur geplanten Gemeinschaftsunterkunft durch alle Mitglieder des Stadtrates in der Sitzung (Siehe Anhang unten).